My review of Carles Boix’s Democratic Capitalism at the Crossroads on Soziopolis.

Opening paragraphs

Bücher über Natur und Schicksal des demokratischen Kapitalismus sind schwer in Mode. Sie konstituieren beinahe so etwas wie ein eigenes Genre, das zwischen Gegenwartsdiagnose, historischer Abhandlung, theoretischen Überlegungen und gesellschaftlichen Reparaturvorschlägen zu verorten ist. Die Einordnung solcher Bücher ist nicht immer ganz leicht, da sie für gewöhnlich in der Form umfassender Interpretationsangebote daherkommen, die hyperproduktive Forscherpersönlichkeiten auf Grundlage großangelegter Gedankengebäude recht spät in ihrer Karriere veröffentlichen. Das ist bei Carles Boix’ Democratic Capitalism at the Crossroads nicht anders. Der in Princeton lehrende Boix, der für seine Beiträge in der vergleichenden Wohlfahrtsstaats- und Demokratieforschung bekannt ist, interpretiert, periodisiert und theoretisiert in diesem Buch die rund 150-jährige Geschichte des demokratischen Kapitalismus. Seine leitende Frage ist dabei keine nur akademische. Wie mittlerweile in so gut wie jedem polit-ökonomischen Werk stellen der Aufstieg populistischer Politik seit den 1990er-Jahren und damit zusammenhängend die Zukunft des demokratischen Kapitalismus den Fluchtpunkt seiner Überlegungen dar.

Im Unterschied zu vielen seiner Fachkolleg*innen wartet Boix dabei jedoch nicht mit einem scharfen Argument auf. Ganz im Gegenteil: Durch das gesamte Buch hinweg gelten ihm starke Thesen aus Ökonomik, Politikwissenschaften und Soziologie als Abgrenzungsbezüge. Sie werden zumeist im Schema des Konflikts zwischen Optimisten und Pessimisten vorgestellt, um dann im Jargon wissenschaftlicher Neutralität abgewogen, relativiert und hinterfragt zu werden. Herunterbrechen lässt sich Boix’ eigene Position am ehesten darauf, dass er dem Diskurs zum Wandel von Demokratie und Kapitalismus vorwirft, die Folgen technologischer Entwicklungen und die Möglichkeiten politischer Gestaltung zu unterschätzen. Seit dem frühen Industriekapitalismus hätten technologische Wandlungen kapitalistische Gesellschaften immer wieder vor gravierende Herausforderungen gestellt, die historisch zumindest ansatzweise politisch bewältigt wurden. Wie in einem Großteil der Literatur drehen sich auch Boix’ Überlegungen um die Zügelung kapitalistischer Dynamik und die Mäßigung politischen Konflikts in den Goldenen Jahren des Nachkriegskapitalismus. Im Unterschied zu vielen anderen Schriften sieht er den Verfall des vielbeschworenen Erfolgsrezepts des Embedded Liberalism aber primär im technologischen Wandel begründet, nicht in Klassenkonflikten oder Strukturproblemen spätkapitalistischer Gesellschaften.

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